Ein syrischer Maurer im Hunsrück
Kenan Chalhoub
Auf die Frage was er am meisten an seiner Heimat vermisst antwortet Kenan Chalhoub- ohne zu überlegen - „Mama“ und sein Gesichtsausdruck sagt alles. Seine Mutter sagt immer, er sei ein „liebes Kind“, da er ihr im Haushalt geholfen hat, obwohl das für Männer in seiner Heimat so gar nicht üblich ist. Er telefoniert jeden Tag mit ihr und seinem Vater.
Kenan Chalhoub ist 25 Jahre alt und aus seiner Heimat Syrien geflohen. Neben seiner Mutter hat er seinen Vater und seinen 31-jährigen Bruder in Syrien zurückgelassen. Ein dritter Bruder lebt schon seit langer Zeit in Venezuela. Als er geflohen ist, ist er einfach weg, ohne seinen Eltern Bescheid zu sagen. Sie sollten sich keine Sorgen um ihn machen. Erst als er das Mittelmeer überquert hatte, hat er angerufen. Über Umwege kam Kenan nach Idar-Oberstein.
Aller Anfang ist schwer
Nach elf Jahren Schule in Syrien und neun Jahren Berufserfahrung als Maurer hat er dann wieder die Schulbank gedrückt. Im Rahmen einer berufsvorbereitenden Maßnahme bei der GFA GmbH in Idar-Oberstein hat er sich auf den deutschen Arbeitsmarkt vorbereitet und berufsbezogenes Deutsch gepaukt. Aller Anfang ist schwer, denn bis dahin konnte er kein Wort Deutsch. Ein paar Brocken Englisch mussten reichen, um sich durchzuschlagen. Unterdessen hat sich das geändert. Während unseres Interviews werden die Fragen zwar für Kenan noch auf Arabisch übersetzt, er antwortet jedoch stets auf Deutsch. Die neue Sprache sorgte auch schon für die ein oder andere bizarre Situation. So gibt es beispielsweise ein deutsches Wort, das sich anhört, wie eine arabische Beleidigung. Ein wirklich schlimmes Wort, wie er versichert. So skandalös, dass er auch auf dreimaliges Nachfragen, das – im deutschen harmlose -Wort nicht aussprechen möchte.
Syrischer Maurer vs. deutscher Maurer
Neu ist jedoch nicht nur die Sprache, sondern auch viele deutsche Gepflogenheiten. So musste er sich während seines Praktikums bei einer Verputzer Firma in Idar-Oberstein, das im Zuge der Maßnahme stattfand, zuerst an den ungewohnt frühen Arbeitsbeginn und die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Tätigkeit gewöhnen. In seinem vorherigen Arbeitsleben als Maurer in Syrien waren Maurer quasi selbstständig. Wenn irgendwo gebaut wurde, wurde er angefragt und hat dann auf der Baustelle gearbeitet. Der Arbeitsbeginn war später als in Deutschland.Die Arbeit konnte manchmal 12 Stunden am Tag dauern und das sieben Tage die Woche. Dann waren es vielleicht auch nur wenige Stunden an zwei Tagen in der Woche, weil es beispielsweise keinen Material-Nachschub gab. Auch hinsichtlich der Bezahlung gab es Unterschiede. So wurde nicht am Monatsende, sondern pro Tag bezahlt. Vor fünf bis sechs Jahren, vor dem Krieg, hat er so umgerechnet 10-15 € am Tag verdient.
Unterstützung beim Neuanfang
Seit Anfang September sieht das Arbeitsleben nun anders für ihn aus, als früher in Syrien. Er macht eine Ausbildung zum Maurer bei der Herbert Dillig GmbH & Co. KG in Simmern. Geschäftsführer Bodo Schulz ist froh den engagierten jungen Mann als Nachwuchskraft gefunden zu haben. Für ihn ist es zum Teil schwierig motivierte Auszubildende zu finden. Zudem ist sein eigener Vater damals aus Ostpreußen geflüchtet. Nachdem er sich bereits privat engagiert und einen Flüchtling aus Somalia bei sich aufgenommen hat, war für ihn beim Anruf der GFA sofort klar, er will helfen. Bodo Schulz hat so eine Nachwuchssorge weniger und Kenan Chalhoub kann wieder in seinem Traumberuf arbeiten. Die Verputzer-Firma, in der er ein Praktikum gemacht hatte, hätte ihn zwar übernommen, aber Kenan wollte wieder zurück in seinen Beruf als Maurer. Nicola Morgenroth, Dozentin der GFA für Flüchtlingsprojekte, hat ihn im Rahmen der berufsvorbereitenden Maßnahme begleitet und ist begeistert über seine Entwicklung. Aus anfänglicher Schüchternheit und Unsicherheit sind ein klarer Berufswunsch und eine Perspektive in der neuen Heimat entstanden.
Kleine Momente der Herzlichkeit
Arbeiten, das bedeutet auch eigenes Geld zu verdienen. So erklärte er auch beim Einzug in die neue Wohnung in Simmern seiner Nachbarin, die ihm zum Einzug Brot und Salz vorbeibrachte, dass er nun eine Ausbildung machen und Geld verdienen würde. Er sei also nicht so arm, dass sie ihm Essen schenken müsse. Überhaupt sind es diese Momente der Hilfsbereitschaft, die ihn an zu Hause erinnern. Denn in ihrer Herzlichkeit sind sich Syrer und Hunsrücker ähnlich, findet Kenan Chaloub.
Zum Abschluss des Gesprächs antwortet er auf die Frage, welche Personen aus der Geschichte er gerne zu einem Essen einladen würde, ganz pragmatisch: Seinen Freund Hussein, seinen Chef Bodo Schulz, dessen Assistentin Frau Schneider und Frau Morgenroth. Die vier Menschen, die ihn in den letzten Monaten dabei unterstützt haben, im Hunsrück Fuß zu fassen.
Herzlichen Dank an Kenan Chaloub und Bodo Schulz von der Herbert Dillig GmbH & Co. KG für das Gespräch sowie George Mekhael für das Übersetzen der Fragen! Das Gespräch führte Sandra Wust.
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